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Wer schlecht hört, muss nicht alt sein: Kerem Örcüns Weg zur leiseren Stimme
Angenehm, tief, voll – so lässt sich die Stimme von Kerem Örcün beschreiben. Er selbst empfindet sie lange Zeit vor allem als laut. Zu laut. Er merkt es meist nicht, bekommt es aber von anderen gespiegelt, zum Beispiel von seiner Freundin. Kerem Örcün, 27 Jahre, ist schwerhörig. Er weiß das schon lange. Für Hörgeräte hat er sich trotzdem erst vor Kurzem entschieden.
Kerem Örcün schätzt, dass er 14 Jahre alt war, als seine Schwerhörigkeit entdeckt wurde. Genau weiß er das nicht mehr. Aber er erinnert sich, dass sein Vater Fragen ständig wiederholen musste und daraufhin mit ihm zum HNO-Arzt ging. Dieser diagnostizierte eine Tieftonschwerhörigkeit, eine Art der Schwerhörigkeit, die selten vorkommt. Möglich, dass Kerem Örcün seit seiner Geburt damit lebt, denn manchmal ist eine Tieftonschwerhörigkeit genetisch bedingt. Seine Eltern erzählen, dass die Uroma taub war.
Der erste Versuch
Kerem Örcün bekommt damals Hörsysteme. Optisch hat er damit keine Probleme, auch wenn man das bei einem Teenager vermuten könnte. „Den meisten sind meine Hörgeräte nicht aufgefallen. Ich bin auch nie deswegen gemobbt worden.“ Eigentlich ein großes Glück, können Kinder und Jugendliche doch durchaus rücksichtslos miteinander umgehen. Es gibt allerdings ein anderes Problem: Die Geräte fangen immer wieder an zu piepen, zum Beispiel beim Staubsaugen. Zudem hat er ein ständiges Rauschen in den Ohren. „Es hörte sich an wie ein langgezogenes, andauerndes Fauchen.“ Insgesamt ist ihm alles zu laut. Beim Hörakustiker sagt man ihm, das Rauschen habe mit der Tieftonschwerhörigkeit zu tun, es ließe sich nicht ändern. „Mein Vater akzeptierte das als Erklärung. Wäre ich damals älter gewesen, hätte ich wahrscheinlich nicht lockergelassen und wäre im Zweifel zu mehreren Hörakustikern gegangen.“ Die Folge des ungelösten Problems ist, dass Kerem Örcün abends, wenn er die Hörgeräte herausnimmt, so erleichtert ist, dass er sie morgens nicht mehr einsetzen möchte. „Irgendwann lagen sie nur noch herum.“
Die Hörprobleme nehmen zu
In den folgenden Jahren kommt Kerem Örcün ohne Hörgeräte zurecht – auch wenn er sich im Nachhinein fragt, ob das ein oder andere Problem in der Schule vielleicht mit seiner Hörminderung zu tun hatte. Aber: „Hinterher ist man immer schlauer.“ Die Schwierigkeiten nehmen mit Mitte 20 zu, als er eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker beginnt. In der Schule muss er sich immer wieder nach vorne setzen, um die Lehrerinnen und Lehrer zu verstehen. Und im Betrieb machen ihm die vielen Nebengeräusche zu schaffen. Hinzu kommen Vorgesetzte und Kollegen mit eher leisen, ruhigen Stimmen. Immer wieder nachzufragen, frustriert ihn. Manchmal hat er das Gefühl, die anderen denken, er halte sie zum Narren. Auf der anderen Seite fällt es ihm schwer, zu akzeptieren, dass es Menschen gibt, die nicht darauf reagieren, wenn er sie bittet, lauter zu sprechen – obwohl er sie offensiv auf sein schlechtes Gehör aufmerksam macht. Am Ende ist es seine Freundin, die den Ausschlag gibt: „Meine Stimme ist einfach laut. Unangenehm laut. Und wenn wir mit Freunden zusammen sind, ist es noch schlimmer, weil ich denke, ich rede zu leise und sie verstehen mich nicht. Dabei schreie ich in dem Moment schon. Für meine Freundin, mit der ich zusammenwohne, muss das unglaublich anstrengend sein. Anders als ich hört sie wie ein Luchs.“ Hinzu kommt, dass seine Freundin in der Hörakustik-Branche arbeitet. Vielleicht ist es auch das, was ihn ermutigt, einen zweiten Versuch zu wagen.
Subjektives Empfinden ist entscheidend
Rund 13 Jahre nach seinem ersten Besuch beim Hörakustiker betritt Kerem Örcün erneut ein Hörakustik-Fachgeschäft. „Was ich von Anfang an gut fand: Ich wurde von jemandem betreut, der etwa so alt war wie ich. Wir haben uns direkt super verstanden und geduzt.“ Auf der einen Seite möchte Kerem Örcün am liebsten unauffällige Im-Ohr-Hörsysteme, die man von außen überhaupt nicht sieht. „Oder die Optik muss so sein, dass man sich direkt in sie verliebt.“ Als Werkzeugmechaniker faszinieren ihn zum Beispiel Ohrpassstücke aus Titan, die er durch Zufall zu Gesicht bekommt. „So etwas ist ein richtiger Blickfang, das gefällt bestimmt nicht jedem. Aber ich liebe meinen Beruf und alles, was mit Metall zu tun hat. Das Titan glänzte in allen Regenbogenfarben. Das sah einfach cool aus.“ Im Fachgeschäft stellt sich schnell heraus, dass die Ohren von Kerem Örcün für Im-Ohr-Hörgeräte zu klein sind. Am Ende zählen vor allem zwei Dinge für ihn: „Hörgeräte müssen sich gut anfühlen und gut anhören.“ Dass es große Unterschiede gibt, merkt er beim Probetragen. Insgesamt drei Hörsysteme testet er. „Bei einem habe ich den Klang als sehr unnatürlich wahrgenommen. Das ging für mich gar nicht.“ Sein Favorit ist ein Hinter-dem-Ohr-System, das so klein ist, dass man es ebenfalls kaum sieht. Für die Einstellung nimmt sich der Hörakustiker viel Zeit. Sie gehen sogar gemeinsam spazieren, damit Kerem Örcün mitbekommt, wie sich die Geräusche draußen anhören. Für Örcün ist das ein wichtiger Aspekt. Er liebt die Natur, am Wochenende machen er und seine Freundin häufig Ausflüge im Sauerland, der Heimat der beiden. Auch die Stille der Nacht und den Sternenhimmel mag er. „Meiner Freundin ist das leider oft zu kalt – zumindest im Winter.“ Ihr zuliebe geht er stattdessen hin und wieder mit zum Tanzen in einen Club. „Aber ehrlich: Die Lautstärke dort kann ich kaum ertragen. Beim letzten Mal kam ich nach Hause und hatte so ein Piepen in den Ohren, dass ich mich erst einmal in der Embryostellung zusammengerollt habe.“ Es scheint, als möge er die Lautstärke der Clubs genauso wenig wie die seiner eigenen Stimme. Umso mehr freut er sich über eine Veränderung, die mit den Hörgeräten einhergeht: „Vielen meiner Freunde war nicht klar, dass ich schlecht höre. Aber wenn sie mich jetzt fragen, warum ich Hörgeräte trage, stellen sie oft im gleichen Moment fest, dass ich leiser spreche.“
Moderne Technik, neue Erfahrungen
Und die alten Probleme? Das Piepen und Rauschen? Bei beidem kommt Kerem Örcün der technische Fortschritt zugute. Oft liegt es an einer akustischen Rückkopplung, dass Hörgeräte pfeifen oder piepen. Sie erfolgt, wenn der Schall das Ohr wieder verlässt und vom Mikrofon noch einmal verstärkt wird. Bei modernen Hörgeräten verhindert eine automatische Rückkopplungsunterdrückung in der Regel den unangenehmen Ton. Örcüns anderes Problem, das Rauschen, hängt tatsächlich mit seiner Tieftonschwerhörigkeit zusammen. So haben alle Hörgeräte technikbedingt ein gewisses Eigenrauschen. Die meisten Hörgeräteträger nehmen das nicht wahr, da das Rauschen im hohen Frequenzbereich liegt – genau dort, wo die meisten Schwerhörigen schlecht hören. Bei einer Tieftonschwerhörigkeit ist das Gegenteil der Fall. Deshalb müssen Hörakustiker bei der Einstellung der Hörsysteme ein paar Besonderheiten beachten. Auch in diesem Punkt bietet der technische Fortschritt heute mehr Möglichkeiten als früher. Für Kerem Örcün bedeutet das: „Das Rauschen höre ich nur noch, wenn ich mich darauf konzentriere. Oder wenn ich in einem stillen Raum sitze. Die meiste Zeit ist es so minimal, dass es mich nicht stört.“
Seine Hörsysteme trägt Kerem Örcün jetzt den ganzen Tag: zu Hause, in der Freizeit – zum Beispiel beim Klettern – in der Schule und im Betrieb. Die vielen Nebengeräusche und der alltägliche Lärmpegel eines Produktionsbetriebs sind kein Problem mehr, da die Hörsysteme Störgeräusche von Sprache unterscheiden und reduzieren. Er nimmt die Hörsysteme nur heraus, wenn er selbst mit sehr lauten Geräten arbeitet. Dann ist spezieller Gehörschutz Pflicht.
Unverzichtbar ist für Kerem Örcün, dass er seine Hörsysteme via Bluetooth mit anderen Geräten koppeln kann. Morgens, wenn er aus dem Haus geht, verbindet er sie mit dem Smartphone und hört darüber Musik oder Hörspiele. „Auch Anrufe lasse ich mir direkt in die Hörsysteme übertragen. Und wenn ich nach der Arbeit oder am Wochenende auf der Couch sitze und mir ein YouTube-Video anschaue, geht der Ton ebenfalls vom Smartphone oder Tablet direkt in die Hörgeräte.“ Hat er keine Lust mehr auf die Couch, geht es raus in die Natur oder zu Freunden. Dann freut sich Kerem Örcün darüber, dass keiner mehr seine allzu laute Stimme ertragen muss.
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