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Tinnitus: Weghören statt abschalten
Bei den einen ist es ein Rauschen, bei den anderen ein Piepen oder Pfeifen: Bis zu 45 Prozent aller Erwachsenen kennen solche Ohrgeräusche. Häufig verschwinden sie schnell wieder. Was aber tun, wenn der sogenannte Tinnitus bleibt?
Zunächst heißt es: Ruhe bewahren. Das ist leichter gesagt als getan: „Wer plötzlich eine Veränderung in seinem Kopf wahrnimmt, dem kann das Angst machen“, sagt Professor Gerhard Hesse, HNO-Arzt und Leiter der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen. Je mehr Betroffene über das Geräusch nachdenken, desto lauter wird es. „Das ist ein Teufelskreis. Aufklärung ist deshalb das A und O.“
Der Begriff Tinnitus bezeichnet Hörwahrnehmungen, die nicht durch Laute von außen hervorgerufen werden. Gut zu wissen: Studien haben ergeben, dass im Prinzip jeder einen Tinnitus hat. Schließt man hörgesunde Menschen in eine stille Kammer ein, hören mehr als 95 Prozent nach kurzer Zeit Geräusche. Professor Gerhard Hesse bezeichnet das als logisch: „Das Innenohr ist ein elektrisches System und jedes elektrische System hat eine Spontanaktivität, die man als leises Grundrauschen hören kann – sofern man darauf achtet. Das tut man normalerweise nicht, vor allem nicht dauerhaft.“ Erst wenn sich etwas an der Hörwahrnehmung ändert, kann das Grundrauschen ins Bewusstsein dringen, wir können es nicht mehr wegfiltern und hören Töne. „Tinnitus ist keine Krankheit, sondern ein Symptom einer gestörten Hörwahrnehmung“, fasst Hesse zusammen. Das Problem: Je mehr Aufmerksamkeit wir den neuen Geräuschen schenken, desto stärker können sie unseren Alltag negativ beeinflussen.
Richtig Reagieren
Tritt ein Ohrgeräusch zum ersten Mal auf, sollten Betroffene sich auf den Weg zum Hals-Nasen-Ohrenarzt machen – ohne Hektik: „Mehr als 60 Prozent der Ohrgeräusche verschwinden innerhalb kurzer Zeit“, erklärt Hesse. „Bis zu 48 Stunden darf man warten.“ Wichtig bei der Behandlung ist die Unterscheidung zwischen einem akuten Tinnitus, der zum ersten Mal auftritt, und einem Tinnitus, der länger als drei Monate besteht und damit als chronisch gilt. „Ein akuter Tinnitus wird in den meisten Fällen von einer plötzlichen Hörminderung begleitet, dem sogenannten Hörsturz“, weiß HNO-Arzt Hesse. „Dann – und auch nur dann – sollte der Arzt eine hoch dosierte Cortisontherapie durchführen. Bei einem chronischen Tinnitus bringt das nichts.“
Hörgeräte als Therapie
Bei der Diagnostik überprüft der HNO-Arzt unter anderem, ob es äußere Ursachen für das Ohrgeräusch gibt: Schwingt das Trommelfell gut? Ist der Gehörgang verstopft? Zudem bestimmt er die Tinnitusfrequenz- und lautstärke und führt unterschiedliche Hörtests durch. „In 90 Prozent der Fälle stellt sich heraus, dass eine Hörminderung vorliegt. Eine Hörgeräteversorgung ist hier das Beste, was der HNO-Arzt im ersten Schritt veranlassen kann“, so Hesse. Die Hörgeräte helfen den Schwerhörigen, Umgebungsgeräusche wieder besser zu hören, sodass der Tinnitus in den Hintergrund treten kann.
Vom HNO-Arzt geht es also zum Hörakustiker. Einer von ihnen ist Christopher Heinz. Als Tinnitus-Retrainer unterstützt er Betroffene, den Tinnitus verstehen zu lernen, ihn aus der Wahrnehmung zu verdrängen und möglichst gut zu ertragen. Es geht nicht darum, den Tinnitus zu beseitigen, sondern zu vergessen. „Unser Ziel ist es, den Menschen die Angst vor dem unbekannten Geräusch zu nehmen und einen Teufelskreis aus Tinnitus und Stress erst gar nicht entstehen zu lassen“, so Heinz. „Eine gute Aufklärung braucht viel Zeit, die in Arztpraxen manchmal fehlt. Zwei Stunde plane ich für ein Erstgespräch in etwa ein.“
Den Tinnitus vergessen
Im zweiten Schritt setzt das Retraining an der veränderten Hörwahrnehmung an. Ziel ist es, das Gehör durch Schallreize aus der Umgebung zu stimulieren – bei Schwerhörigen mit einem Hörgerät, bei normal Hörenden mit sogenannten Noisern, die ein sanftes Rauschen erzeugen und so vom Tinnitus ablenken sollen. Zudem lernen Betroffene bei einem Hörtraining, sich auf bestimmte Geräusche zu fokussieren und andere wegzufiltern. „So kann das Gehirn lernen, den Tinnitus zu überhören“, erklärt Heinz. Eine einfache Übung für zu Hause ist, bestimmte Instrumente aus einem Musikstück herauszuhören. Stille ist für Menschen mit Tinnitus nicht empfehlenswert: „Wenn es komplett leise ist, kann der Tinnitus die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen.“ Beim Lesen oder Einschlafen helfen zum Beispiel Musik oder Geräusche von draußen.
Im Idealfall arbeiten HNO-Ärzte, Hörakustiker und Psychotherapeuten in einem Netzwerk zusammen. So kann die Retraining-Therapie mit einer kognitiven Verhaltenstherapie kombiniert werden, in der Therapeut und Patient nach Gedanken oder Verhaltensweisen suchen, die das Leben mit dem Tinnitus erschweren und sie im nächsten Schritt verändern.
Tinnitus als Ausdruck seelischer Not
Das Retraining ist vor allem für diejenigen geeignet, die nicht allzu gravierend am Tinnitus leiden. Deshalb ist es wichtig, dass Hörakustiker frühzeitig erkennen, wenn umfassendere Hilfe notwendig ist und sie weitere Therapie-Möglichkeiten aufzeigen können. Ist ein Tinnitus zum Beispiel mit Angstzuständen oder Depressionen verbunden, kann psychotherapeutische Hilfe notwendig sein – ambulant oder auch stationär. Gerhard Hesse von der Tinnitus-Klinik in Bad Arolsen macht allen Betroffenen Mut: „Man kann einen chronischen Tinnitus zwar nicht abschalten, man kann aber lernen, ihn zu überhören.“
Einen Beitrag zum Thema Tinnitus mit weiterführenden Informationen finden Sie im HÖREX Kundenmagazin HÖRmal, Ausgabe 2019/20.
Tinnitus in Zahlen:
Nicht jeder, der einen Tinnitus wahrnimmt, leidet auch daran:
- 35 bis 45 Prozent aller Erwachsenen haben schon mal ein Ohrgeräusch wahrgenommen
- 15 Prozent hören das Geräusch über einen längeren Zeitraum (chronischer Tinnitus)
- 8 Prozent sind durch das Geräusch belastet und entwickeln Folgestörungen
- 0,5 Prozent fühlen sich durch ein Ohrgeräusch wesentlich in ihrer Lebens- und Gestaltungsfähigkeit eingeschränkt
(Quelle: Helmut Schaaf und Gerhard Hesse: Das Leiden am Tinnitus, in: Deutsche Apotheker Zeitung 26/2014)
Hilfe und weitere Infos gibt es hier:
- Deutsche Tinnitus-Liga e.V.: www.tinnitus-liga.de
- Tinnitus-Selbsthilfe: www.tinnitus-selbsthilfe.org
- Tinnitus-Klinik Dr. Hesse: www.tinnitus-klinik.net
Ihr HÖREXperte vor Ort:
Tinnitus-Spezialisten finden Sie bei zahlreichen HÖREXperten. Christopher Heinz von den Hörgerätemeistern ist nur einer von ihnen. Ihren nächstgelegenen HÖREXperten finde sie hier.
Erklärvideo:
Eine anschauliche Erklärung, worum es beim Tinnitus geht, finden Sie im Erklärvideo auf: www.apotheken-umschau.de/Tinnitus.